Was Unternehmen vom Oscar-Gewinner in puncto Relevanz, Agenda und Timing lernen können

Die Basis für diesen Blog hat mein australischer Storytelling-Kollege Shawn Callahan gelegt, der kürzlich über die strategischen Mechanismen geschrieben hat, die das Storytelling in “The Big Short” so großartig funktionieren lassen. Daran anknüpfend sei hier aus europäischer Perspektive auf drei Aspekte eingegangen, die ebenfalls auf das Storytelling-Erfolgs-Konto dieses Films einzahlen: Relevanz. Timing. Agenda.

Relevanz:

“The Big Short” baut nutzt den Aspekt der Relevanz auf mehreren Ebenen:
Angelehnt an aktuelle Ereignisse, ohne zu faktisch-dokumentarisch. Ja, es dreht sich um die Ereignisse der Finanzkrise, geht aber viel tiefer und zeigt, wie fragil Vertrauen ist, wie schnell und unwiderruflich es zerstört werden kann. Es enthält sowohl realistische als auch humorvolle Elemente (die Kritiker vom “The Filmspotting”-Podcast nannten den Film “Spotlights” bösen Zwilling).
Das größte Plus des Films ist es, ausgesprochen komplexe Zusammenhänge in einer Story verständlich zu machen, der der Zuschauer folgen und emotionale Verbindung aufbauen kann. Auf einmal resoniert etwas, was diese „Wall Street-Typen“ verzapft haben, mit jedem persönlichen Leben.
Wenn Unternehmen oder Marken Stories entwickeln, sollte der Relevanz- Check ganz oben auf der Agenda stehen.
Wovon träumt das Publikum eigentlich? Was fürchtet es? Was beschäftigt sie im Moment besonders? Richtig ausgewählt, können diese relevanten Kontexte genau das verbindende Element sein, dass Story und Publikum zusammenführt. Hier sollten alle internen und externen Quellen genutzt werden; von Strategie-Meetings über Facebook-Diskussionen oder Kantinen-Klatsch. So gewinnt man einen Oscar bei seinen Kunden oder Mitarbeitern.

Agenda:

Auch wenn “The Big Short” per se ein Film über die Finanzkrise ist, surft der Film auf einer viel größeren Agenda-Welle:
Unsere Welt ist viel unsicher und weniger vorhersagbar geworden. Wir werden das Gefühl nicht mehr los, eine neue und noch unbekanntere Krise könnte gleich hinter der nächsten Ecke lauern. Jobs, die schon lange nicht mehr sicher sind. Vertrauen in große Institutionen (UNO, Regierungen, Banken) bröckelt. Unsere Unsicherheitsvermeidung wird konstant getriggert und findet keine Ruhe. Damit gewinnen Stories wie „The Big Short“ die Aufmerksamkeit des Publikums. Viel stärker als vor vielleicht 20 Jahren, wo sich unsere Eltern noch auf die gewerkschaftlich durchgesetzte Jobsicherheit verlassen konnten. Wer seine individuellen oder Corporate Stories entwickelt, sollte konstant auf dem Radar haben, was gerade „auf der Agenda“ steht: weltweit, branchenweit oder im Unternehmen. Wie kann die Geschichte diese Trends aufnehmen und zum Nutzen des Unternehmens verarbeiten?

Timing:

Der richtige Zeitpunkt kann einen guten Film in die Blockbuster-Sphäre katapultieren – und eine gute Story in einen erinnerungs-würdigen Teil der Unternehmens-Kultur verwandeln. Stellen wir uns vor, „The Big Short“ wäre 2011 ins Kino gekommen – der Film wäre nie so erfolgreich. Jetzt, in 2016, könnte das Timing nicht besser sein: Die Weltwirtschaft ist nur noch ein klein bisschen krisen-verkatert. Nicht das fürchterliche Erwachen am Tag danach, aber genauso lange weg, dass man die Effekte noch präsent hat. Wer noch ums Überleben oder ums Wiederaufstehen kämpft, sieht das Licht am Ende des Tunnels noch nicht und kann sich nicht auf andere Dinge als Überleben konzentrieren.
Eine weitere Option für gelingendes Story-Timing ist Unmittelbarkeit. In den ersten beiden Stunden nach einem Unglück, die ersten wie oder drei Wochen nach einem großen Ereignis profitiert die Geschichte vom Momentum,

Geht also um Wirksamkeit einer Geschichte in der Öffentlichkeit, spielt Timing eine wichtige Rolle. Im richtigen Moment erzählt, fliegt sie wie eine Rakete. Also nicht alle guten Geschichten bis zum Schluss aufheben. Auch der Umkehrschluss gilt: Hat das Publikum gerade ganz andere Dinge im Kopf, heißt es auf den richtigen Moment warten.

Ganz großen Applaus und Oscar-Glückwünsche an Charles Randolph und Adam McKay für diesen hochverdienten Oscar. Als Eddie Redmayne 2015 den Oscar als bester Hauptdarsteller bekam, dankte er vor allem allen Drehbuch-Autoren dafür, „dass sie uns ihre Stories anvertrauen“. Das gleiche sollten Unternehmen tun: Ihren Kunden und Mitarbeitern ihre Stories anvertrauen, um sie zum Leben zu erwecken. Zusammen mit Innovation sind sie das beste Rezept für langfristigen Business-Erfolg.