Der Bewerbungsprozess ist und bleibt die intimste Form des Verkaufsgespräches.

Wir verkaufen uns in diesem Moment selbst, tragen gefühlt „unsere Haut zu Markte“ und reagieren sensibler auf jede Frage oder Kommentar, egal, wie positiv der gemeint ist. Das ist in allen Kulturen gleichermaßen der Fall. Um diesen ohnehin schon sensiblen Prozess vorausschauender zu planen, haben wir Kommunikationstrainerin Katja Schleicher gebeten, zu kommentieren, was es besonders zu beachten gilt, wenn sich Deutsche, die in Holland studieren, dort um einen Job bewerben oder Niederländer einen neuen Job in Deutschland suchen

Ganz allgemein

Im niederländischen Mindset steht die Beziehung zwischen den beteiligten Kommunikationspartnern immer an erster Stelle, in Deutschland die Sache. Das fragt für den gesamten Bewerbungsprozess eine Anpassung an die Prioritäten.

Stellen-Ausschreibungen

Dieser Aspekt spiegelt sich bereits in Stellenanzeigen wider: oft wird in Stellenanzeigen niederländischer Unternehmen dem „zwischenmenschlichen“ Raum gegeben, also erläutert, was man vom Bewerber an Soft Skills und Sozialkompetenz erwartet. Für Niederländer ist das vergleichsweise normal an, deutsche Bewerber fühlen sich davon oft weniger eingeladen. Niederländer dagegen fühlen sich häufiger von der Fülle der Expertise, die gefragt wird, abgeschreckt

Bewerbung

Abgesehen von formellen On- und Offline-Tips für Bewerben (keine Urlaubsfotos mitschicken, den letzten Job zuerst erwähnen, etc.) hier einige Besonderheiten im deutsch-niederländischen Kontext: Zeugnisse (auch Zwischenzeugnisse) werden in Deutschland höher bewertet. Für niederländische Arbeitgeber ist es keine Selbstverständlichkeit, diese auszustellen. Lieber einmal mehr nachfragen. In die Niederlande muss dagegen nicht jedes Zeugnis mitgeschickt werden. Es reicht, sich für ein oder zwei exemplarisch zu entscheiden und. Auf Nachfrage kann später die vollständige Kollektion nachgereicht werden. Im Schreiben selbst und bei der Gestaltung des Lebenslaufes gern darauf achten, dass in Richtung Niederlande Kompetenzen und Beteiligungen an Projekten stärker in den Vordergrund gestellt werden, in Richtung Deutschland dagegen mehr Wert auf erreichte Resultate und Positionen gelegt wird. Das gilt übrigens auch für Blind-Bewerbungen auf beiden Seiten. Bewerbungen in die Niederlande dürfen gern etwas emotionaler und persönlicher verfasst werden. Das kostet manchen deutschen Bewerber Überwindung, weil die Gefahr gesehen wird, zu früh zu viel von sich preis zu geben und so Chancen zu vergeben. Niederländer denken da eher pragmatisch und freuen sich, wenn Bewerber früh zeigen, wes Geistes Kind sie sind. Das erleichtert die Entscheidung dafür oder dagegen.

Wird die Bewerbung in Englisch abgefasst, ist doppelt darauf zu achten, dass die Wortwahl auch die emotionale Bedeutung für die jeweilige Kultur abdeckt: für die deutsche eher linear und nüchtern, die Sachkompetenz und Expertise betonend, für die niederländische eher emotional belegt und die sozialen Anknüpfungspunkte verdeutlichend.

Zwischen Bewerbung und Gespräch

Auf beiden Seiten ist der Weg einer Job-Ausschreibung oft lang und gewunden. Deutsche Bewerber sollten sich nicht scheuen, zwischendurch anzurufen und zu fragen, wie denn der Stand der Dinge sei. Möglicherweise wird vom niederländischen Personalverantwortlichen auch im Telefonat kein verbindlicher Termin genannt, sicher aber eine zeitliche Eingrenzung. Außerdem ist so ein Zwischendurch-Telefonat sehr geeignet, um empathisch Kontakt aufzunehmen. Das gilt zwar auch für Deutschland, ist aber dort öfter mit dem impliziten Vorwurf verbunden, sich undeutlich ausgedrückt zu haben. Von deutscher Seite werden auch öfter konkrete Termine genannt, bis wann Bewerber mit einer Informationen rechnen können

Bewerbungsgespräch

Der persönliche Klick und Übereinstimmung in der zwischenmenschlichen „Chemie“ wird in Niederlanden für wichtiger erachtet als in Deutschland. Darum hat das erste Bewerbungsgespräch auch eine komplett andere Bedeutung. In Deutschland dient es dem deutlicheren Clustern und Kategorisieren der Bewerber („wen haben wir alles und in welche Gruppen können wir die einteilen?“), den Niederlanden wird damit erst mal einen breit aufgestellte emotionale Basis geschaffen, aus der man dann auswählen kann). Der deutsche Einstieg ist häufiger, dass der Bewerber zu Beginn des Gespräches gebeten wird, sich vorzustellen und seine Vorstellungen zu erläutern. Gefühlsmäßig gerät der Bewerber schnell ins Spotlight. In den Niederlanden eröffnen oft Personaler oder Hiring Manager das Gespräch und berichten über da Unternehmen und die Funktion als solche. Gefühlt kann der Bewerber erstmal durchatmen und sich auf die Gesprächs-Situation einstellen. Auf niederländischer Seite werden Mängel im äußerlichen Auftreten eher verziehen, während die ausgetretenen Schuhe auf deutscher Seite länger als Mangel haften bleibt.

Die Frage, wie gut der Bewerber ins Team passt, wird auf niederländischer Seite gleichhoch mit fachlichen Qualitäten gewertet. Auf deutscher Seite stehen Qualifikationen gleichwertig neben fachlichen Erfahrungen, Persönlichkeit des Bewerbers folgt danach. Deutsche Personaler mögen jetzt sagen “aber uns interessiert doch sicher die emotionale Qualität!“ Das ist aus der deutschen Innensicht auch sicher so, trotzdem noch weniger als in der niederländischen Innensicht.

Im Verlauf des Gesprächs kommt dann häufig die Frage nach der Sicht des Bewerbers auf das Unternehmen. Was aufgefallen ist, was man kritisch sieht, anders machen würde, etc. Niederländer sind es gewohnt und halten es gut aus, das dieser Input sehr kritisch und sehr direkt ausfällt („ich würde die gesamte Administration sofort outsourcen“).

Das wird als Zeichen dafür verstanden, dass der Kandidat „seine Hausaufgaben gemacht“ hat. Wichtig: diese Kritik sollte sich ausschließlich auf die Sache beziehen. Personen sind bewusst außen vor zu lassen. Bei einem deutschen Arbeitgeber sollte man auf der gestalte Fragen aus dem eigenen Kompetenz- und Erfahrungsschatz schöpfen, aber neutral bleiben. „Es gibt in diesem Markt viele gute Beispiele für Betriebe, die ihre Administration erfolgreich ausgelagert haben“….)

Künftige Kollegen werden in den Niederlanden stärker früh, oft auch unerwartet, ins Bewerbungsgespräch einbezogen um zu checken, wie gut der Bewerber ins Team passt. Hier sollten sich strukturierte deutsche Bewerber nicht aus der Ruhe bringen lassen, Kontaktfreudigkeit und Flexibilität zeigen. Oft soll hier auch getestet werden, wie schnell der Bewerber emotional in Kontakt kommt. Auf deutscher Seite wird ein solches Treffen mit möglichen Team-Mitgliedern meist erst in der zweiten Runde anberaumt – und vorher angekündigt.

Verhandlungen um Geld und „Package“

In den Niederlanden sind es Vorgesetzte gewohnt, dass sie von ihren Mitarbeitern gefordert werden. Ganz nach dem Motto: „Du bist mein Chef, beweise Dich“ zeigen niederländische Mitarbeiter oft ein für deutsche Verhältnisse ungewöhnliches Selbstvertrauen. Das darf sich auch in Gehaltsforderungen zeigen, die klar zeigen sollen: dieses Geld bin ich wert. Niederländer, die sich in Deutschland bewerben, sollten ihr Selbstwertgefühl zeigen, aber den gültigen Hierarchien Rechnung tragen, die in Deutschland eine größere Rolle spielen.

Die Autorin: Katja Schleicher ist Kommunikations- und Medientrainerin im interkulturellen Kontext. Ihr Herz schlägt für Europa, sie hat zwei Pässe und trainiert in drei Sprachen. www.interview-training.eu