Kleine Geste, große Wirkung: so blieb Kamala Harris in der VP-Debatte auf Augenhöhe.
30 Sekunden. Nur 30 Sekunden. In denen Kamala Harris während der Debatte der Kandidaten für die amerikanische Vize-Präsidentschaft, wie frau unter Druck (eine solche Debatte ist ja alles andere als ein Kaffee-Kränzchen) Haltung und Wirksamkeit in der Kommunikation zeigt.
1) Konstant im MASTER-STATUS bleiben: In keinem Moment vermittelt sie das Gefühle, dem amtierenden Vize-Präsidenten nieder machen oder dissen zu wollen. Ohne sich selbst je kleiner dabei zu machen. Kein einziges „sorry“ fällt. Wozu auch. Wenn es nichts zu entschuldigen gibt. Das sollten wir uns alle jeden Tag zur Aufgabe machen. Entschuldigen, wenn es etwas zu entschuldigen gibt. SONST NICHT.
2) Ihre ganze Attitüde sagt: Ich bin FÜR etwas, nicht GEGEN etwas. Das sagt viel über ihre grundsätzlichen Glaubenssatz aus: Sie will nicht dissen, sondern nach vorn arbeiten. Damit richtet sie die Aufmerksamkeit auf das, was kommen wird, und nicht auf den Schnee von gestern. Ladies, macht deutlich, worum es Euch wirklich geht: in jeder Mail, jedem Gespräch, jedem Zoom-Call. Und auch in jeder Präsidentinnen-Debatte (man weiß ja nie).
3) Harris beherrscht den Dreiklang: TIMING. TEMPO. MOMENTUM. Nicht zu früh quatschen. Nicht zu schnell. Und dann konsequent den Punkt machen. Harris setzt ihre Pausen virtuos. Selbst zwischen zwei noch so kleinen Worten wie zwischen „Mr. Vice President“ und „I’m speaking“. Die Übersicht haben, ohne aber wie die ständig kontrollierende Gouvernante zu wirken. Freundliche und deutliche Ansagen schließen sich nicht aus. Nicht beleidigt sein, wenn man nicht gleich zu Wort kommt, sondern auf das fokussieren, was gesagt werden soll (eyes on the prize!).
4) Harris setzt das vertrauenswürdige Stimm-Muster ganz gezielt ein: Die Stimme senkt sich am Ende des Satzes oder Gedankens. Kein unangenehm nervös oder panisch wirkendes Hochschrauben der Stimme, das weder von Frauen noch Männern als glaubwürdig empfunden wird.
5) Die senkrecht aufgestellte Handfläche (ein Symbol der vedischen Göttin Kali) bedeutet „No fear“: Sei ohne Angst, aber respektiere die Grenze. Diese Geste (in Selbstverteidigungs-Kursen für Frauen auch oft mit dem Wort „Stop“ verbunden) zeigt sie ihrem Kontrahenten genau in dem Moment, wo er ihr zum wiederholen Mal dazwischen geredet hat. Den lehrerhaften Zeigefinger braucht Harris nicht, um kommunikativ zu wirken. Und hat mit dieser Souveränität nicht nur Kali, sondern alle vedischen Götter hinter sich.
Meinen ganz persönlichen Pluspunkt bekommt die amtierende kalifornische Gouverneurin für zwei Aspekte: ihr maliziöses Lächeln: ehr bestimmt und mit dem Rest Liebenswürdigkeit, den auch der ärgste Gegner verdient. Und ihre präzise Körpersprache: Rücken und Kopf gerade. Auch (oder vielleicht gerade) im Sitzen. Präzise Gestik, ohne Gefuchtel.
Ich wünsch uns allen jeden Tag mindestens einen „Kamala-Harris“ -Moment: So freundlich wie möglich, so strikt und konsequent wie nötig. Im Video Call mit den Board Kollegen, dem Team. Oder bei Schatzi?
Hier das Video zum Nachschauen, Lernen und Genießen;
Die Autorin ist Kommunikationstrainerin und Medien-Coach im pan-europäischen Umfeld und genießt tolle Auftritte von tollen Frauen in den Medien. Sie freu sich, wenn ihr von Euren „Kamala“-Momenten berichtet. Zu ihren Kommunikations-Trainings geht es hier:
www.interview-training.eu
www.katjaschleicher.com
fotocredits: U.S. Senate Photographic Studio – Renee Bouchard